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«Beste imaginäre Freunde»

Auf einmal waren sie da: der böse und der liebe Tiger und der liebe Wolf. Und sie brachten ganz schön Stimmung ins Familienleben. Rico, der Superheld, machte sogar Papa eifersüchtig. Geschichten über das Leben mit imaginären Freunden.

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«Beste imaginäre Freunde»

Auf einmal waren sie da: der böse und der liebe Tiger und der liebe Wolf. Und sie brachten ganz schön Stimmung ins Familienleben. Rico, der Superheld, machte sogar Papa eifersüchtig. Geschichten über das Leben mit imaginären Freunden.

Auf einmal waren sie da: der böse und der liebe Tiger und der liebe Wolf. Und sie brachten ganz schön Stimmung ins Familienleben. Rico, der Superheld, machte sogar Papa eifersüchtig. Geschichten über das Leben mit imaginären Freunden.

Nina hat zwei. Aisha drei. Mike hat keinen. Paul einen. Imaginäre Freunde. Schattenwesen, die auf einmal da sind und oft auch für länger bleiben. Fast jedes vierte Kind hat bis zu seinem siebten Geburtstag einen oder mehrere imagninäre Gefährten, die ausser ihnen sonst keiner sehen kann. Und die Eltern? Die sind oft irritiert, erschrocken, befürchten den Beginn einer ernsten psychischen Störung. Doch was zugegebenermassen ziemlich unheimlich erscheint, ist völlig harmlos.

Ninas Wesen heissen Kadidscha und Kochia. «Das sind meine besten Freundinnen», erklärt Nina den anfangs irritierten Eltern. Und beste Freundinnen kommen überall mit hin. Zum Beispiel in den Supermarkt. Dort sitzen die drei gemeinsam im Einkaufswagen, was dann immer ein ziemliches Gedränge gibt und Nina aufpassen muss, dass Mama den Freundinnen nicht die Packung Klopapier auf den Kopf haut. Dass die Freundinnen am Abendessen teilnehmen, versteht sich von selbst, es stehen immer zwei Gedecke mehr auf dem Tisch.

Immer nett und lustig

Und dass Ninas ältere Brüder darüber lachen und Sprüche machen, das nimmt die Fünfjährige relativ gelassen hin. «Die wollen einfach nicht, dass ihr Blödmänner sie seht. Das hat mir Kochia eben gerade gesagt.» Kochia und Kadidscha gehen mit Nina durch dick und dünn und abends ins Bett. «Sie sind schon viel grösser als ich, beide mit braunen Haaren, einmal lang und einmal kurz», erklärt Nina das Aussehen der Freundinnen und flüstert der Mutter ins Ohr: «Kochia ist ein bisschen dick, aber das darfst du ihr nicht sagen, sonst ist sie traurig.» Kochia und Kadidscha sind immer nett und lustig und bald schon akzeptierte Familienmitglieder. Und sie bleiben bei Nina, mehr als ein Jahr lang. Bis sie sich nach und nach auflösen. Im Vergessen verschwinden.

Es sind vor allem Drei- bis Siebenjährige, die für eine Weile mit solchen Fantasiefiguren leben. Die Kinder spielen und sprechen mit ihren Wesen, die einen sind wahre Riesen, andere haben Platz in der Hand oder in der Hosentasche. Oft sind es menschliche Wesen, es gibt aber auch Fantasiegestalten oder Tiere. Wie zum Beispiel bei Aisha.

Ihre imaginären Freunde sind ein Wolf und zwei Tiger. Der böse Tiger, der liebe Tiger und der liebe Wolf. Doch es ist nicht so, wie es zu sein scheint. Denn der böse Tiger ist der nette, feine, tiefgründige. Er ist Aishas Beschützer. Der liebe Tiger aber macht dauernd Blödsinn, ist rotzfrech und ärgert nicht nur Aisha dauernd, sondern auch die beiden anderen imaginären Freunde. «Nein, das darf man doch gar nicht, schäm dich, lieber Tiger», schimpft Aisha, wenn der liebe Tiger schon wieder dem lieben Wolf eine runtergehauen hat. Und die Vierjährige schämt sich fremd, wenn der liebe Tiger lautstark dem Nachbarsjungen die übelsten Schimpfwörter hinterherschreit. Dann schleift sie ihn an der Pfote rein und er muss den Rest des Tages im Zimmer bleiben. Hausarrest. «Der liebe Wolf, der ist noch sehr scheu», erklärt Aisha, «er versteckt sich immer hinter mir, weil er Angst hat vor dem lieben Tiger.»

So ein imaginärer Freund ist einfach ein unglaublich dufter Typ, der alles kann, alles darf und alles relativ unverletzt überlebt. Der Gefährte kann lieb und hilfsbereit sein, er kann aber auch böse sein, frech, Schimpfwörter brauchen und fluchen. Und muss trotzdem nie mit dem Geschimpfe von Mama oder Papa rechnen. Praktisch sind die Wesen auch darum, weil imaginäre Freunde Felder abdecken können, auf denen sich die Kinder unsicher fühlen. Fachleute nennen sie auch soufflierende Engelchen und Teufelchen, mit denen Kinder die Welt voller Ge- und Verbote durchschiffen können.

Pauls Wesen jedenfalls ist sehr speziell. Er heisst Rico, ist bärenstark, schon erwachsen und ein ganz toller Typ. Er ist mutiger als Papa, fährt rasend schnell Auto, macht Sprünge bis in die Wolken, verdrückt drei Teller Pommes in zwei Minuten und matscht eine ganze Flasche Ketchup obendrauf. Er macht mit Paul Piratenschiffversenken und Schaumschlachten in der Badewanne, er ist Pauls bester Kumpel. «Rico hat sooo viele Muskeln und ist sooo mutig», schwärmt Paul dem Papa vor. Und Papa wird ein bisschen eifersüchtig auf den unsichtbaren, muskelbepackten Superman. Da kann er nicht mithalten.

Kein Grund zur Panik

Aisha, Paul und Nina: Drei Beispiele von unzähligen. Hat man früher noch angenommen, dass nur scheue und introvertierte Kinder imaginäre Gefährten haben, hat sich diese Meinung unter Fachleuten mittlerweile revidiert. Denn so unterschiedlich die unsichtbaren Freunde sind, so unterschiedlich sind die Kinder, die sie haben. Nina ist ein Wirbelwind, rauft und tollt mit Nachbarskindern rum, hat Geschwister und Freunde. Paul ist ein lustiger kleiner Kerl, eher ruhig, hat keine Geschwister und geht gerne in den Kindergarten. Aisha ist sehr scheu und introvertiert, fühlt sich nur in der Familie wohl, spricht im Kindergarten lange nicht und spielt lieber allein als mit anderen Kindern. Was hat es mit diesen Schattenwesen also auf sich und warum kommen sie überhaupt in das Leben der Kinder? Soll man als Eltern reagieren? Wenn ja, wie? Hier ein paar Tipps:

Anita Zulauf

Anita Zulauf

Redaktorin

anita.zulauf@medienatelier.ch

Als Quereinsteigerin in den Journalismus schreibt Anita Zulauf erst für die «Berner Zeitung», die Migrationszeitung «Mix», nun bei «wir eltern» und als freie Journalistin bei dem Kulturmagazin «Ernst». Sie mag Porträts und Reportagen über Menschen-Leben und Themen zu Gesellschaft und Politik. Als Mutter von vier Kindern hat sie lernen müssen, dass nichts perfekt, aber vieles möglich ist.


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