Die beiden Babyklappen-Kinder waren für die Schmids wie eigene Babys. «Man freut sich genauso über das erste Lächeln, die schönen, kleinen Eigenheiten und Fortschritte», so Maria Schmid. Es gab keine bewusste Entscheidung, sich emotional zurückzuhalten. Eher etwas Leises, Unbewusstes, so, damit man die Trennung dann auch schafft.
Adoptiveltern sind ausgewählt
Denn jeder Tag der vergeht, ist gleichzeitig ein Tag näher beim Abschied. Nach rund fünf Monaten kam dann auch die Nachricht: Die Adoptiveltern waren ausgewählt.
«Bevor sie das erste Mal vor der Tür stehen, ist man schon nervös», erzählt Lorenz Schmid. Was, wenn sie nicht sympathisch sind? Das wäre schwierig gewesen. Die Befürchtung bestätigte sich nicht. Bei beiden Babys besuchten die Adoptiveltern ihr zukünftiges Kind über einen Monat regelmässig, übernachteten auch ein paar Mal bei der Familie Schmid. Um das Elternsein zu üben.
«Die Babys waren ihnen gegenüber neugierig und offen, in diesem Alter fremdeln sie noch nicht so sehr», so Maria Schmid. Die Adoptiveltern konnten sich langsam an ihr Kind herantasten. Es seien schöne, sanfte Prozesse gewesen. Mit intimen Momenten und tiefen Emotionen. «Für uns war es sehr schön, die Paare, die lange sehnlichst auf ein Kind gehofft hatten, beim Familie-Werden zu begleiten», erzählt Maria Schmid. Und es hat auch ihnen selbst geholfen, die Babys loslassen zu können.
Das Baby zieht zu den Adoptiveltern
Die Übergabe an die Adoptiveltern war bei beiden Kindern sehr speziell. Schmerz vermischt mit der Freude, dass die Kinder jetzt richtige Eltern haben. Der Tag wurde von den Adoptiveltern liebevoll gestaltet. Nicht zuletzt, damit den Kindern der Familie Schmid nicht nur Trauriges, sondern auch Schönes in Erinnerung bleibt. Zum Beispiel das gemeinsame Pflanzen eines Baumes im Garten, oder das
Angeln am See.
Aber ja, der Moment des Abschieds war hart. Es sind viele Tränen geflossen. Bei allen.
Weiter in Kontakt mit dem Baby
«Grundsätzlich sind wir in diesem Prozess bedeutungslos. Es gibt keine Verpflichtung, den Kontakt zu uns weiter bestehen zu lassen», sagt
Lorenz Schmid. Damit haben sie rechnen müssen. Und das wäre schwierig gewesen. Aber, noch heute stehen sie in regelmässigem Kontakt mit den beiden Familien. Sie waren bei Taufritualen dabei, an Geburtstagsfeiern. Familie Schmid bekommt immer wieder Fotos zugeschickt, vom ersten Zahn, den ersten Schritten, dem ersten Spielgruppentag. «Wir sind Freunde geworden. Es wurde uns nichts genommen, wir haben dazu gewonnen.»
Die leiblichen Mütter sind im Alltag der Kinder zwar nicht anwesend aber präsent. Etwa bei der Taufe des einen Kindes, an der die Adoptivmutter einen emotionalen Brief an die Mutter vorgelesen hat. Heute sind die beiden drei und sechs Jahre alt, sie wissen von ihrer Geschichte. «Es wird nie einen Tag X geben, an dem den Kindern alles erzählt wird. Sie wachsen einfach damit auf, und das ist sehr wichtig», so Lorenz Schmid.
Appell an die leiblichen Mütter
Die Schmids haben grossen Respekt vor den leiblichen Müttern. «Es war sicher keine leichtfertige Entscheidung, die Kinder zur Welt zu bringen, im Wissen, sich trennen und den Schmerz ertragen zu müssen. Ein Leben lang.» Adoptiv- wie Pflegeeltern seien diesen Frauen dankbar, dass sie den Babys das Leben geschenkt haben.
Ihr Appell an die Mütter: «Meldet euch! Wir wünschen sehr, dass sie sich irgendwann überwinden, den Schritt doch noch zu machen.» Das wäre eine schöne Möglichkeit, einander doch noch kennen lernen zu dürfen. Von den Adoptiveltern «ihrer» Babys wissen sie jedenfalls, dass sie für eine Kontaktaufnahme offen wären. Und noch etwas möchte das Ehepaar Schmid den beiden Müttern sagen: «Euren Kindern geht es gut.»
Namen zum Schutz des Pflegekindes geändert.
Babyfenster: Kontakt der leiblichen Eltern zum Kind auch nach Jahren möglich
Seit 2001 gibt es in der Schweiz Babyfenster. Bis Ende 2020 wurden in den mittlerweile acht Babyfenstern 25 Kinder hineingelegt, das letzte am 16.11.2020 in Basel.
Leibliche Mütter (und Väter) können sich jederzeit bei den zuständigen Behörden melden. Selbst, wenn bereits mehrere Jahre vergangen sind. Zuständig ist jeweils die Gemeinde, in der das Kind in ein Babyfenster gelegt wurde. Eine Meldung bei den Behörden hat für die Mutter und/oder den Vater keine strafrechtlichen Konsequenzen.
Die leiblichen Eltern haben das Recht auf das Kind nach einer Frist von 12 Monaten nach Abgabe an die Adoptiveltern verwirkt. Die Adoption des Kindes ist danach rechtsgültig. Die Adoptiveltern müssen mit dem Kontakt ihres minderjährigen Adoptivkindes zu den leiblichen Eltern einverstanden sein. Die Vermittlung erfolgt über die Behörden. Mit 18 Jahren kann ein Kind selbst mögliche Schritte unternehmen.