Wir lieben, wen wir wollen? Lieben, wie wir wollen? Theoretisch ja. Praktisch nein. Denn in Wirklichkeit – und jetzt heisst es tapfer sein – heiraten wir unsere Eltern. Gewissermassen zumindest. Beweisen doch zahllose Studien: In jede langfristige Liebesbeziehung grätscht die Herkunftsfamilie nicht nur sporadisch hinein, sondern diese Ursprungsfamilie steckt in unserer aktuellen Familie wie das kleine Matroschka-Püppchen im grossen. Das kann man gut finden oder auch schlimm, doch es ist Fakt.
Verantwortlich dafür ist einerseits, wenig überraschend, dass wir von unseren Eltern erzogen und geprägt worden sind, sie für mal gutes, mal schlechtes Vorbild waren. Andererseits liegt es daran, dass Gehirne von Haus aus träge sind wie Seelöwen beim Sonnenbaden. Bekanntes zu wiederholen, finden Gehirne energieeffizienter, als neue Wege zu gehen, ausgetretene Pfade bequemer als unwegsames Gelände. «Und je stärkere Emotionen im Spiel sind, desto ausgeprägter reagiert das Gehirn nach dieser Gleichung», sagt Annette Cina, Psychotherapeutin und Dozentin im Bereich Familienforschung an der Universität Fribourg. «In gefühlsmässig hoch aufgeladenen Situationen – etwa einem Streit in der Partnerschaft, bei Familienfeiern oder der Kindererziehung – laufen diese unbewussten automatischen Prozesse besonders häufig ab.»
Muster aus der Kindheit werden in der Parnterschaft wiederholt
Manchmal ist das lustig und schadet nicht. Etwa wenn Menschen statistisch überdurchschnittlich oft Partner:innen wählen, die dem eigenen gegengeschlechtlichen Elternteil ähneln. Vor allem um Nase und Augen herum, hat man an der ungarischen Universität Pécs herausgefunden. Manchmal scheint das Herz auch bei Ähnlichkeiten, die über die Optik hinausgehen, schneller zu klopfen. Heiraten doch, so Forschungen der Universität Lausanne, eingeschweizerte Ausländer der zweiten Generation dennoch bevorzugt jemanden, der genau dort herkommt, wo schon die eigenen Eltern herkamen. Liegt es an Bräuchen, die nicht erst umständlich erklärt werden müssen? Am tradierten Verständnis von männlich und weiblich? Von Romantik? Kann sein, dass es so ist. Muss aber nicht. Erwiesen dagegen ist, dass sie dauerhafter sind, diese auf Ähnlichkeit der Wurzeln beruhenden Beziehungen. Doch manchmal, ist diese instinktive Suche nach dem Bekannten zutiefst destruktiv und vergiftet Gegenwart und Zukunft. So wählen beispielsweise nach Forschungen der Wingate University, North Carolina, Kinder aus Suchtfamilien auffallend häufig Partner:innen mit gleicher Problematik, werden Kinder aus Trennungsfamilien mit dreimal höherer Wahrscheinlichkeit später selbst geschieden oder schlittern Kinder unzuverlässiger Eltern leichter in Partnerschaften mit schwankendem Boden.