Geduld ohne Garantie
Bei dem Stichwort «Reha» kommen einem automatisch Senioren in den Sinn. Rehabilitation nach Herzinfarkt, Schlaganfall oder nach Hüftgelenks-OP. Dass auch Kinder und Jugendliche mitunter spezielle Therapien brauchen, um verlorengegangene Fähigkeiten wiederzuerlernen, ist vielen nicht bewusst. Im Rehabilitationszentrum, das vor den Toren Zürichs steht und zum Zürcher Kinderspital gehört, betreuen Therapeuten, Pflegende und Ärzte bis zu 47 junge Patienten rund um die Uhr. Die Kinder kommen aus allen Landesteilen und manchmal sogar aus dem Ausland. Wer nach Affoltern verlegt wird, hat oft einen langen Spitalaufenthalt hinter sich. Ein Drittel der Reha-Kids leidet an den Folgen eines Unfalls, ein Drittel hat eine akute Erkrankung hinter sich und das letzte Drittel ist chronisch krank oder behindert. «Es ist nicht entscheidend, welche Diagnosen die Patienten mitbringen», sagt Andreas Meyer-Heim, der ärztliche Leiter der Einrichtung. «Uns interessiert vor allem, was die Mädchen und Jungen zum Zeitpunkt ihres Eintritts können und welche Ziele wir gemeinsam setzen.» Manche Kinder müssen erst wieder das Schlucken lernen, andere können kaum noch sprechen. In vielen Fällen ist die Reha vor allem ein Kampf gegen die Schwerkraft. Sich aufsetzen, sitzen bleiben, aufstehen, laufen – all das sind komplexe motorische Abläufe, die gerade bei Schädel-Hirn-Verletzungen häufig in Mitleidenschaft gezogen werden. Die gute Nachricht: Ein Teil der bereits verloren geglaubten Fähigkeiten kann durch massgeschneiderte Reha-Therapien reaktiviert werden. Das braucht viel Geduld und es gibt keine Garantien. Kleinere Wunder geschehen in Affoltern jedoch täglich. Wenn ein Meilenstein geschafft ist, dann fühlt sich das für die Kinder an, als hätten sie fliegen gelernt. Aus dieser Perspektive betrachtet ist Felix nicht etwa in einer Reha-Klinik, sondern in einer Kinderflugschule.
Hätte jemand Felix' Eltern vor einem Jahr gesagt, dass ihr Sohn bald schwer krank werden würde, hätte sie es nicht geglaubt. Wieso auch? Der Knirps gedieh prächtig. Doch dann wurde alles anders: 2012 begann für die Familie ein Albtraum, aus dem sie noch immer nicht erwacht ist. Es war im November. Draussen war es bereits stockdunkel, der Nebel kroch durch die Strassen der Hauptstadt. Felix sass im Pyjamas auf dem warmen Stubenboden und spielte noch eine letzte Runde mit seinen Legos. Als es Zeit fürs Bett war, blieb der damals Zweijährige einfach sitzen. Nicht aus Trotz und auch nicht aus Ungehorsamkeit. Felix Beine wollten ihm einfach nicht gehorchen. Die Kinderärztin war beunruhigt und überwies den Buben ins Inselspital. Dort suchte man fieberhaft nach der Ursache für die Lähmung. Der Zustand des Kindes verschlechterte sich zusehends. Felix konnte nicht mehr sitzen und kein Wasser mehr lassen. Sein Darm streikte ebenfalls. «Ich kann gar nicht mehr sagen, welche Untersuchungen er alles über sich hat ergehen lassen müssen», sagt seine Mutter heute. Filmriss.
Nach zwei langen Monaten waren alle mit ihrem Latein am Ende. Kein Tumor, keine Autoimmunerkrankung, kein Infekt. Es blieb nur noch eine Erklärung: In Felix' Rücken hatte sich eine Thrombose gebildet. Es war zu einem Gefässverschluss gekommen. Mit fatalen Folgen.