Am gleichen Strang?
Die Dauer des Fernsehkonsums, ein Pulli mit Flecken für die Schule oder die Ballerinas im Sandkasten können zu satten Paarkrisen führen. Bei Matthias und Dora sind es immer wieder dieselben Themen, die für Ärger sorgen. Matthias möchte, dass seine Kinder zu «lebenstüchtigen Menschen» erzogen werden, so wie er selbst es wurde. Voll berufstätig stellt er in seiner Freizeit im Affekt Regeln und Verbote auf, die Dora dann die Woche über durchziehen sollte. «Kürzlich hat er unserer Tochter ein einwöchiges Fernsehverbot aufgedrückt, weil sie zum wiederholten Mal das Fahrrad nicht in die Garage gestellt hatte», beklagt sie sich. Wenn sie findet, er sei zu streng, behauptet er, sie verziehe die Kinder und sei disziplinlos. «Und dann herrscht Krieg. Oder Eiszeit. Und alle fühlen sich schlecht», so die Mutter.
Matthias und Dora, Sonja und Max, zwei von unzähligen Elternpaaren, die sich wegen der Kindererziehung in den Haaren liegen. Dabei sollten sie sich doch bemühen, möglichst immer am gleichen Strang zu ziehen. Oder? «Nein», meint Familientherapeut Jesper Juul in seinem Buch «Was Familien trägt». «Es ist eine veraltete Wertvorstellung, dass Eltern sich über die Erziehung ihrer Kinder einig sein müssen.» Man müsse akzeptieren lernen, dass der Erziehungsstil des Partners nicht falsch, sondern einfach anders ist. Jeder Mensch bringt seine Biografie mit in die Familie. «Wie man sich als Kind gefühlt hat, was man erlebt hat, wie man erzogen wurde: Das alles bestimmt die eigene Erziehungshaltung, die man auf die eine oder andere Weise weiter gibt», schreibt Kinderarzt und Autor Remo Largo in seinem Buch «Kinderjahre». Kinder können sehr wohl mit verschiedenen Erziehungsstilen umgehen. Sie wissen genau, wie sie sich bei welcher Person zu verhalten haben. Für Kinder sei es positiv, wenn sie Eltern erleben, die unterschiedlich entscheiden und sich so verhalten, wie sie es als sinnvoll erachten. So lernen sie, zu vergleichen und zu akzeptieren, dass nicht nur eine Meinung zählt und richtig ist. Das macht sie realitätstüchtig, kritikfähig, selbstbewusst und fit fürs Leben, sind Erziehungsexperten überzeugt. Da macht es auch nichts, wenn mal die Fetzen fliegen, weil die Eltern sich nicht einig sind. Vorausgesetzt, sie verlieren sich nicht in endlosen, destruktiven Streitereien, sondern lösen die Meinungsverschiedenheiten auf eine gute, konstruktive Weise.