Zucchetti: bäh! Gurken: bäh! Brokkoli, Fenchel, Sellerie: bäh!! So tönte es an unserem Esstisch. Tag für Tag. Unser Sohn war als Kleinkind ein Picky Eater – oder höflicher ausgedrückt: ein etwas wählerischer Esser. Pommes und Wienerli: Top! Gemüse: Flop! Und weil die Sorge von uns Eltern proportional zu seiner Verweigerung von Vitaminen stieg, erlaubten wir uns, unseren kleinen Schnäderfrass zu übertölpeln. In der halben Stunde Bildschirmzeit vor dem Abendessen knabberte unser Sohn ganze Schälchen mit Karotten-, Gurken- und Kohlrabistängeln leer, dank Anreicherung mit ein bisschen Mayonnaise. Hunger und Ablenkung untergruben seine Überzeugung, dass Vegetabiles grundsätzlich grusig sei.
Zu Reibereien am Tisch führen aber nicht bloss die Speisen auf dem Teller. Eine viel grössere Rolle spielt die Prägung der Eltern, ihre Erwartungen und kulturelle Trends. Müttern und Vätern bleibt – wie so oft in der Erziehung – nicht erspart, mitgebrachte Werte und Normen zu erkennen und stets neu miteinander auszuhandeln. Punkt für Punkt zu besprechen: Müssen die Hände vor dem Essen gewaschen werden? Dürfen die Kinder selber schöpfen? Müssen sie den Teller leer essen? Wann dürfen die Kinder vom Tisch? In wessen Familie hinsichtlich Essen immer alles reibungslos funktioniert, der werfe das erste Rüebli.
Esskultur hat oft wenig mit Geschmacksvorlieben, aber viel mit Psychologie zu tun. Es geht um Macht und Ohnmacht. Zwischen den Eltern, zwischen den Kindern, zwischen Eltern und Kindern. Es beginnt schon beim Stillen: Will es nicht richtig klappen, fühlt sich die Mutter unsicher, schuldig, abgelehnt. Genauso der Papa, wenn das Baby den Schoppen verweigert. Später erzeugt der erste Brei, der in ausgespuckten Sudeleien an Stühlen und Wänden kleben bleibt, für Wut und Verzweiflung – allerseits. Das Kind muss doch essen – seufzten schon unsere Grossmütter. Nur will das Kind gerne selbst bestimmen. Denn ein Säugling oder Kleinkind begegnet tausendfach neuen Eindrücken, auch kulinarischen. Und das allermeiste wird zuerst einmal abgelehnt. Aus Sicherheitsgründen, wohlgemerkt.