Ein anderes Thema: Loben. Soll man es wirklich unterlassen?
Von übertriebenen Loborgien halte ich nichts. Ich glaube daran, dass aufrichtiges Interesse am Kind wertvoller ist, auch wenn etwas schiefläuft. Der Weg ist das Ziel. Ich halte es mit dem Komiker Karl Valentin, der gesagt haben soll: Wir brauchen unsere Kinder nicht zu erziehen, sie machen uns sowieso alles nach. Die Frage ist, was kann man einem Kind zumuten, ohne es zu überfordern? An diese Grenze würde ich gehen. Dort ist für das Versuchen allenfalls Lob angezeigt. Wenn wir die Hände sinnbildlich mehr auf den Rücken legen, geben wir einem Kind die Möglichkeit zu zeigen, wo es steht und wozu es fähig ist.
Was meinen Sie genau mit «Hände auf den Rücken legen»?
Das ist eine Haltung gegenüber dem Kind. Es bedeutet, nicht zu sehr anzuleiten, aber sehr wohl ehrliches Interesse an den Aktivitäten des Kindes zu zeigen. Eltern tun sich und den Kindern einen Gefallen, dem Kind den Lead zu überlassen und allenfalls nur zu reagieren.
Apropos Lead überlassen: Mein vierjähriger Sohn hilft mir liebend gerne in der Küche. Das artet allerdings oft im Chaos aus. Ein Dilemma!
Ein Kind möchte die Eltern imitieren, das ist angeboren. Eltern sollen sich überlegen, wie sie das Umfeld gestalten, damit das Kind teilnehmen kann. Es muss Erfolgserlebnisse haben, ohne dass die Eltern dabei durchdrehen.
Remo Largo und ich haben vor über 20 Jahren einen Lehrfilm über Essverhalten der Kinder gemacht. In der Vorbereitungsphase hat mir eine Grossmutter erzählt, ihr 1-jähriges Enkelkind könne sauber essen. Sie hat ihm ein so grosses Lätzchen genäht, dass sie ihm damit die Hände nach hinten binden, und es sauber füttern konnte. Sie hat es gut gemeint, aber gleichzeitig eine sensible Phase der Entwicklung unterbunden: Es geht nicht darum, dass der Tisch und der Boden sauber bleiben, sondern darum, dass ein Kind lernt, selbstständig zu essen, und das geht nur über spielerisches Üben.