War es wirklich die Mutter?
Kritiker sehen in den Babyfenstern auch mögliche Gefahren. So schreibt etwa die Foundation Sarah Oberson in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Institut für die Rechte des Kindes: «Wie kann überprüft werden, dass die Aussetzung des Kindes mit dem Einverständnis der Mutter oder in Übereinstimmung mit ihren Rechten stattfand?» Ähnliche Bedenken hat auch der Kinderrechtsausschuss der UNO: Es werde meist davon ausgegangen, dass Babyfenster im Interesse der Frau seien, um ihre Schwangerschaft oder Geburt gegenüber ihrem sozialen Umfeld zu verbergen. «Es kann aber auch gerade das sozial- familiäre Umfeld sein, das die Frau zur anonymen Abgabe ihres Kindes drängt.» Der Kinderrechtsausschuss zeigt sich «zutiefst beunruhigt» über die steigende Zahl von Babyfenstern. Die Schweiz solle dafür sorgen, dass Alternativen wie die Möglichkeiten der anonymisierten Geburt geschaffen würden.
So sehen es auch Politiker von links bis rechts und Spitalverantwortliche in der Schweiz. Immer lauter wird der Ruf nach der vertraulichen Geburt, bei der die Frau anonymisiert in einer Klinik gebären kann. Einige Kantone haben sich gegen die Errichtung eines Babyfensters und für die verstärkte Bekanntmachung der vertraulichen Geburt entschieden. Auch die Schweizerische Fachstelle für Adoption plädiert für die vertrauliche Geburt. Sie sei eine echte Alternative zu den Babyfenstern.
Alleine gebären? Unmöglich
Keine Frau soll mehr allein gelassen werden, weder in der Schwangerschaft noch bei der Geburt. Und auch nicht danach. Sie soll betreut und beraten werden, umsorgt und begleitet. Und wenn keiner erfahren soll, dass sie ein Kind bekommt, dann hat sie das Recht, ihre Personalien geheim zu halten. Statt ihr Baby nach der Geburt in eine Klappe zu legen, wird sie die Klinik verlassen und wissen: Es geht dem Baby gut. Und sie wird wissen, welche Menschen sich um das Kleine kümmern, es umsorgen, in ihren Armen wiegen. Die Mutter hat Adressen von Anlaufstellen für Frauen in Not in der Tasche, die sie in der Klinik erhalten hat. Und sie weiss, dass sie noch etwas Zeit hat. Zeit, sich zu überlegen, ob es doch einen Weg gibt. Einen mit Baby.
Was nun in den vergangenen Monaten als Alternative zu Babyfenstern propagiert wird, ist aber alles andere als neu. Die vertrauliche Geburt gibt es seit Jahren, sie ist in jeder Klinik möglich. Die gesetzlichen Grundlagen dafür sind gegeben. Doch der breiten Öffentlichkeit ist dieses Angebot nur wenig bekannt. Vielleicht auch darum gab es bisher nur wenige vertrauliche Geburten in der Schweiz. Auf Anfrage geben das Inselspital Bern, das Kantonsspital St. Gallen und die Unikliniken Basel und Zürich zwischen null und zwei vertrauliche Geburten an pro Jahr.
Die Gründe, warum Frauen aus Not zu dieser Variante greifen würden, seien jedoch um einiges breiter als der Wunsch nach der Freigabe zur Adoption: Drohungen von Familienmitgliedern, dem Kindsvater, Stalkingopfer, Vergewaltigungsopfer, Frauen, die ihre Schwangerschaft verdrängt haben und mehr. «Es gibt Frauen, die aus dem Frauenhaus kommen, vertraulich gebären und danach wieder zurückgehen, mit dem Kind», sagt Katrin Feller, Sozialarbeiterin in der Frauenklinik des Inselspitals in Bern. Die meisten Frauen würden sich trotz aller Widrigkeiten für das Kind entscheiden. Tatsächlich gibt es laut Auskunft der angefragten Kliniken Frauen, die sich erst für Adoptionsfreigabe, dann aber doch für das Kind entschieden haben. Weil sie Beratung, Hilfe und Zukunftsperspektiven erhalten haben.