«Das nächste Kind adoptieren wir», sage ich zu meinem Freund, während ich im Krankenhausbett liege und mich alle paar Minuten übergebe. Ich bin zu dem Zeitpunkt in der 9. Woche schwanger und habe Hyperemesis gravidarum (HG), die extreme Form der Schwangerschaftsübelkeit. Die Krankheit, die durch Kate Middleton bekannt wurde. Die Herzogin von Cambridge litt in allen drei Schwangerschaften daran.
Frauen mit HG müssen über Monate fast pausenlos erbrechen, können oft nicht einmal einen Schluck Wasser bei sich behalten. Sie dehydrieren und verlieren an Gewicht. Das starke Erbrechen kann zu Stoffwechselentgleisungen sowie zu Wachstumsstörungen des Ungeborenen führen. Unbehandelt ist die schwere Hyperemesis eine lebensbedrohliche Erkrankung.
Die ersten Monate meiner Schwangerschaft waren – wie soll ich es beschreiben, ohne dramatisch zu klingen – der Horror! Eine bis dahin nie gekannte Übelkeit ergriff mich.
Eine Übelkeit, die ganz anders ist als ein Kater oder eine Magengrippe. Eine Übelkeit, die in jede Zelle dringt und nie von einem ablässt. Nicht wenn man schläft, nicht wenn man arbeitet und schon gar nicht, wenn man Ingwer isst oder regelmässig kleine Mahlzeiten zu sich nimmt, wie es einem bei Morgenübelkeit empfohlen wird.
Ich kotze einmal die Stunde, dann zweimal, schliesslich im Minutentakt. Es ist wie eine Spirale. Je dehydrierter ich werde, desto öfter muss ich mich übergeben. Irgendwann kommt nur noch Galle. Ich liege heulend auf dem Badezimmerboden und wünsche mir, jemand möge mich ins Koma versetzen.
Mein Freund bringt mich immer wieder zu meinem Frauenarzt, damit ich Infusionen bekomme, die mir zumindest kurzzeitig Linderung bringen. Doch am nächsten Tag geht es von vorne los.
Auslöser von HG ist unbekannt
Mittlerweile sind zwei Jahre seit meiner Ankündigung, nie wieder schwanger zu werden, vergangen. Ich habe einen gesunden Buben auf die Welt gebracht, die Strapazen vergessen. Langsam wird der Wunsch nach einem zweiten Kind grösser, einem eigenen. Adoptieren will ich nun doch nicht.
Aber die Erinnerungen an die Kotzerei sind noch da. Und trotz des erlebten Horrors spüre ich nach wie vor eine Unsicherheit, ob ich nicht doch einfach überempfindlich bin. Schliesslich heisst es doch immer, Schwangerschaft sei keine Krankheit.
Mein Frauenarzt hat die Situation damals zuerst heruntergespielt. Er meinte, dass es manche Frauen eben schlimmer treffe mit der Übelkeit als andere. Ich werde einer hochschwangeren Frau ewig dankbar sein, die ich in seiner Praxis zufällig getroffen habe. Sie litt im ersten Trimester selbst an HG. «Hol dir die Hilfe, die du brauchst, sonst kriegst du sie nicht», sagte sie mir damals fast beschwörend. Kurz darauf, als ich am Ende meiner Kräfte war und selbst die Infusionen nicht mehr halfen, ging ich ins Krankenhaus.
Jetzt, wo ein Geschwisterkind kommen soll, versuche ich so viel wie möglich über die Krankheit herauszufinden. Diesmal will ich vorbereitet sein. Viele Informationen über Hyperemesis gravidarum finde ich allerdings nicht. Man kennt weder die Auslöser noch gibt es spezielle Medikamente. Warum?
Ich telefoniere mit der Wissenschaftlerin Marlena Fejzo von der University of Southern California. Sie gehört zu den führenden HG-Forscher*innen der Welt. Und zu einer der wenigen, die sich mit dem Thema beschäftigen.