Seit einigen Tagen regnet es immer wieder. Mal leicht, aber anhaltend, dann wieder so, als wäre der Himmel eine einzige, weit geöffnete Regenbrause. Für Sarah Regli ist nassgraues Wetter kein Grund zum Jammern. Die 39-jährige Naturpädagogin kann jeder Witterung mindestens eine Sonnenseite abgewinnen. Regen ist im Herbst besonders willkommen, treibt er doch die Pilze aus dem modrig-feuchten Boden – und Sarah Regli in den Wald. Am liebsten mit der ganzen Familie.
Allwettertauglich ausgerüstet, ziehen Sarah, Lukas (43), Leon (8), Malik (6) und Alina, das dreijährige Nachbarskind, los Richtung Wald. Kaum inmitten der Bäume verlassen sie das Schottersträsschen. «Ich liebe es, abseits der Wege durch den Wald zu streifen. Pilzsammeln gibt mir die Erlaubnis dazu», sagt Sarah Regli. Ob sie heute etwas finden? An genau diesem Ort* im Zürcher Unterland ist die Familie das erste Mal auf Pilzsuche, hat aber von Freunden gehört, sie hätten hier Steinpilze gefunden. Pilze stecken ihre Fruchtkörper immer wieder an den gleichen Plätzen aus dem Boden, deshalb kehren geübte Sammler und Sammlerinnen dahin zurück, wo sie bereits fündig wurden. Dass Buchen und Fichten hier wachsen, ist schon mal ein gutes Zeichen, denn Pilze leben besonders häufig in Symbiose mit diesen beiden Baumarten.
Ungewöhnliche Wesen
Kaum im Unterholz verändert sich die Gangart der Kinder und Erwachsenen, wird langsamer, unsteter. Die Köpfe leicht gesenkt, suchen die Augen den Waldboden ab. Das Ziel ist nicht mehr irgendwo da vorne, sondern vielleicht gerade hier, gut getarnt zwischen Tannennadeln und Moos, versteckt unter Farn und Laub oder hinter einem Baumstamm. «Ein Pilz! Ich habe einen! », ruft Leon schon nach kurzer Zeit. Alle laufen zu ihm, rätseln, was es sein könnte. «Sicher kein Steinpilz», weiss der Junge. Sarah tippt auf einen Maronen-Röhrling, ist sich aber nicht sicher. «Dann lassen wir ihn stehen», sagt sie.
Pilze sind ungewöhnliche Wesen. Manche schmecken köstlich und sind bekömmlich, andere verursachen Bauchgrimmen. Einige sind halluzinogen und nicht wenige im schlimmsten Fall tödlich. Das Verrückte ist: Plötzlich sind die Pilze da, und wenige Tage später auch schon wieder weg – verfault und verrottet. Obwohl, das stimmt nur teilweise. Nur der Fruchtkörper verschwindet. Das Fadengeflecht im Boden, Myzel genannt, bleibt erhalten, aus ihm entstehen weitere Fruchtkörper. Deshalb ist es wichtig, dass Pilze nicht ausgerissen, sondern vorsichtig herausgedreht werden.