Apropos gewöhnen. Ich habe im Netz einen höchst unappetitlichen Vorbereitungstipp gelesen: dem Hund vorab eine volle Babywindel bringen…
Bäh. Nein, das ist nicht sinnvoll. Mehr noch: kontraproduktiv. Der Hund wird die Windel fressen wollen…
Igitt!
Hunde fressen nun mal gerne Kot. Um sich Nährstoffe anderer Lebewesen zuzuführen, um die Umgebung sauber zu halten… Jedenfalls lernt der Hund dadurch völlig Falsches, nämlich, dass er mit einer Windel spielen darf. Sieht er also das Baby mit Windel wird er denken: Yeah, eine Windel zum Reinbeissen! Nicht das, was man will…
Okay, buchstäblich ein Sch…tipp. Welcher ist besser?
Den Hund im Vorfeld möglichst oft mit Kindern zusammenbringen und entspanntes Verhalten jedes Mal sofort belohnen. Er hört ein Baby im Kinderwagen kreischen: Leckerlis fallen vom Himmel. Ein Kind zieht den Hund am Ohr und der Hund bleibt halbwegs relaxed? Hund aus der Situation herausnehmen und: Leckerlis fallen vom Himmel. Getümmel auf einem Spielplatz und er bleibt weitestgehend cool: Leckerlis.
Bringt eine Kassette mit Kindergeschrei etwas, um die Hundeohren prophylaktisch abzuhärten?
Muss nicht sein. Es reicht, ab und an eine Freundin mit quengelndem Säugling einzuladen. An den der Hund natürlich nicht dran darf! So werden ihm die merkwürdigen Geräusche ein wenig vertrauter. Man kann auch, um ihn an eine ungewohnte Optik zu gewöhnen, hin und wieder eine Puppe im Snuggli herumtragen… Kurz: Alles was ein Hund nicht kennt, muss er erst lernen.
Gilt da auch der Spruch «Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr»?
Nein. Der Spruch ist auch bei Menschen falsch und neurobiologisch nicht haltbar. Wir lernen bis ins hohe Alter hinein. Für Hunde gilt das Gleiche. Ebenfalls empfehlenswert ist es, einen Spaziergang mit leerem Kinderwagen zu machen.
Wie bitte? Das wirkt aber ein wenig creepy, mit Hund und leerem Kinderwagen spazieren zu gehen.
Ja, tut es. Deshalb macht das leider auch kaum jemand. Dabei wäre es höchst sinnvoll. Es ist wichtig, dass der Hund lernt, entspannt an der Leine neben einem Kinderwagen herzulaufen: nicht rennen, keiner Katze nachjagen, nicht auf den Wagen hopsen, nicht rundherum rennen, sich mit der Leine verheddern und dann in Panik geraten, den Wagen nicht umschmeissen…
Gute Güte, das ist ja eine Wissenschaft für sich.
(lacht) Ja. Überhaupt das Spazierengehen: werdende Eltern sollten sich vorher überlegen, wer sich wie in der Phase, wenn sie sehr vom Baby absorbiert sind, um den Hund kümmern soll: Wer macht dann die langen Spaziergänge, wie bekommt er genügend Zuwendung, wie lassen sich Spielzeiten organisieren? Wer achtet auf ihn und schmust mit ihm, wenn die Mutter zu müde für alles ist?
Erleidet er sonst ein Entthronungstrauma wie das ältere Geschwisterkind?
Entthronungstrauma ist vielleicht ein bisschen viel gesagt, denn ein Hund will keinen Thron erobern. Aber klar, ein Hund wird eifersüchtig, wenn er plötzlich weniger beachtet wird. Und er verknüpft, schlau wie er ist, all das, was er auf einmal nicht mehr darf, mit diesem neuen Baby. Er merkt ganz genau, dass seine Hauptbezugspersonen sich anders verhalten als üblich, vielleicht reizbarer, weil belasteter oder aufgeregter. Und je mehr er das merkt, desto mehr wird er den Kontakt suchen, sich aufdrängen und dann vielleicht zurückgewiesen… Er fühlt sich bestraft, wenn Herrchen und Frauchen sich nicht mehr so viel mit ihm beschäftigen, ihn wegschicken, wegsperren oder er sogar ausgeschimpft wird.