Die Sonne brennt vom Himmel, die Luft flirrt vor Hitze. Ich liege im Liegestuhl, vor mir meine Grosse, die quietschvergnügt ins Bassin springt, während ich meine frischgeborene Tochter an die Brust lege. Ein friedliches Bild – genau so hatte ich es mir ausgemalt. Ein Sommerbaby stillen, entspannt, gelassen, während das grosse Kind spielt. Nach den schwierigen ersten Stillwochen mit meinem ersten Kind, die von wunden Brustwarzen und Milchstau geprägt waren, war ich sicher: Diesmal wird alles leichter. Ich wusste doch, wie es geht.
Doch meine Fantasie hatte mir eine rosarote Brille aufgesetzt. Zwei Dinge hatte ich nicht bedacht: Erstens, ein Sommerkind zu stillen, wenn das Thermometer über 30 Grad klettert, ist eine ganz eigene Herausforderung. Das Baby trinkt gefühlt pausenlos, winzige Schlucke, immer wieder – mein Körper arbeitet auf Hochtouren, trotz Hitze habe ich Schüttelfrost, weil ich so ausgelaugt bin. Zweitens, meine Grosse ist zwar verständnisvoll, hilfsbereit, liebt es, mir zur Hand zu gehen – aber sie hat ganz andere Bedürfnisse als das Baby und vor allem hat sie einen festen Tagesrhythmus. Morgens früh raus, in den Kindergarten bringen, mittags abholen, nachmittags Tanzstunde, Spielplatz, Playdates. Ein Tagesablauf, der keine Rücksicht darauf nimmt, ob ich gerade dabei bin, ein Neugeborenes zu stillen. Regelmässig bin ich patschnass, weil ich entweder die Kleine länger schreien lasse, um die Grosse rechtzeitig irgendwohin zu bringen, oder ich muss die Grosse um Geduld bitten, dass wir erst in einer Stunde zum Spielplatz können und dann vielleicht die Freundin bald nach Hause muss.
Zwischen Ideal und Alltag
Ich wollte beiden Töchtern gerecht werden. Doch irgendwann war ich am Anschlag. Die Kleine wurde immer unzufriedener, die Milch reichte ihr nicht, und ich versuchte, neben der Pulvermilch im Fläschchen auch noch abzupumpen. Doch mein Körper streikte. Ich kämpfte gegen die Erschöpfung, bis ich mir nach vier Monaten eingestehen musste: Es geht nicht mehr. Und als ich das Abpumpen losliess, geschah etwas Erstaunliches – ich blühte auf. Endlich hatte ich wieder Kraft, um mit meiner Grossen zu spielen, mit ihr zu lachen, rauszugehen. Und die Kleine? Sie trank ihr Fläschchen zufrieden in meinen Armen. Ein Alltag, der für uns alle stimmte. Die neue Familiensituation war nicht nur für mich eine Herausforderung – auch meine Grosse musste sich erst in ihrer neuen Rolle als grosse Schwester zurechtfinden. Die Aufmerksamkeit, die vorher ihr allein galt, musste sie nun teilen. Genau das kann für viele Erstgeborene eine emotionale Belastung sein. Plötzlich steht ein anderes Wesen im Fokus elterlicher Aufmerksamkeit – für das ältere Kind eine schwer verständliche Zurücksetzung. «Auf psychologischer Ebene kann es beim Kind zu Verlustangst, Unsicherheit, Wut und Trauer kommen», beschreibt Karin Handschin, Referentin bei der Stillförderung Schweiz, die emotionalen Reaktionen. Besonders beim Stillen oder bei der Flaschenfütterung entsteht eine innige Verbindung zwischen Mutter und Säugling. Was beim erstgeborenen Kind mitunter zu Eifersucht und Quengeln führt. Und die Eltern stresst: «Das Kind wiederum spürt den Stress der Eltern – und schon entsteht ein Teufelskreis», erklärt die Fachfrau.