In der Betreuungswoche ist das Haus laut
Beginnt meine child week, wird am Freitag gegen 18 Uhr die Tür aufgerissen. Die Kinder platzten rein. Laut. Ungestüm. Risse in der Stille. Im Nu ist der Korridor vollgestopft mit Sachen und Taschen. Knuddeln hier, drücken da. Elternbesprechung, mal zwischen Tür und Angel, mal bei einem Bier. Abschiedsumarmungen für den Papa.
Das Haus ist wieder laut. Voller Stimmen, Lachen, Gezanke und Geschrei. Das Bad ist permanent besetzt. Und innert kurzer Zeit sind überall Spuren meiner Töchter, tausend liegengelassene Sachen. Die schönen Seiten der child week. Und die anstrengenden.
Durch die Distanz wird vieles intensiver. Bewusster. Die Mädchen und ich bequatschen jeweils die Woche. Was gelaufen ist und was wir in unserer vorhaben. Erzählen uns, wie es uns geht. Was sie gerade beschäftigt. Und mich. Wir füllen beim gemeinsamen Einkauf den Kühlschrank und kochen auch mal zusammen.
Wechselmodell: Nirgends richtig zu Hause
So ging das fast drei Jahre lang. Bis. Ja, bis das jüngere Kind, gerade 12 geworden, vor Kurzem eben austickte. Der Anstoss dazu war mein Genörgel über die halb ausgepackten Taschen. Nach jeder Papa-Woche lagen die in ihrem Zimmer rum. Das Chaos, perfekt.
Doch statt die Forderungen wie üblich zu überhören, wurde sie laut: «Warum soll ich auspacken? Ich muss ja sowieso schon bald wieder alles einpacken! Das nervt! Es ist so anstrengend, ständig hin- und herzuziehen!» Sie weinte.
Ich war perplex. Damit hatte ich nicht gerechnet. Tags darauf erzählte ich ihrer Schwester davon. Und war wieder völlig überrascht. Über deren Reaktion. «Mir gehts genauso. Das ist mir alles zu viel», sagte sie bedrückt. Und sie sagte auch noch, was mich echt bestürzte: «Wenn ich 18 bin, ziehe ich mit meinem Freund zusammen. Dann habe ich endlich wieder ein richtiges Zuhause.» Also. Zeit für eine Familienkonferenz.
Das Wechselmodell immer wieder überprüfen
Zu viert sassen wir zusammen und diskutierten das Problem. Für uns Eltern war klar, dass wir nicht auf null zurückwollten, nicht zurück zum alten Modell, mit den zwei Tagen die Woche über und den geteilten Wochenenden. Keiner von uns wollte verzichten. Weder auf die intensive Zeit mit den Kindern, noch auf den – für uns – angenehmen Auszeit-Rhythmus.
Genauso wenig kam für uns eine Alternative wie etwa das Nestmodell infrage, bei dem die Eltern pendeln. Wir schlugen verschiedene Varianten vor, die Tage anders aufzuteilen. Es gab Tränen. Und Vorwürfe, warum sich Kinder anpassen und den Wohnort wechseln müssten, Eltern jedoch nicht.
Müde vom Diskutieren schlugen wir eine Zwei-Wochen-Variante vor. Und: Der betreuende Elternteil sollte jedes zweite Wochenende einen freien Abend bekommen. Die Begeisterung über den neuen Rhythmus hielt sich bei allen in Grenzen. Versuchsstart war der 1. Januar 2021.
Nun. Seither sind ein paar Wochen vergangen. Und es fühlt sich tatsächlich besser an. Es ist jetzt mehr Ruhe, die Kinder können sich niederlassen und dann auch bleiben, für eine Weile.
Einmal pro Woche treffen wir uns beim betreuenden Elternteil zum gemeinsamen Nachtessen. So bleiben wir in gutem Kontakt. Wir haben mehr von uns, mehr Abende, mehr Zeit für gemeinsame Essen, für Gespräche. «Es ist wirklich entspannter, für die Mädchen und auch für mich», sagt auch der Vater.
Die alternierende Obhut verlangt viel Flexibilität. Von uns allen. Auch wenn es manchmal holpert, ist es für uns der beste Weg. Warum wir nicht von Anfang an dieses Modell gewählt haben, fragte der Kindsvater kürzlich. Unsere Jobs hätten es möglich gemacht. Und die Kinder waren schon früh selbstständig. Ich habe keine Ahnung, sage ich, es war damals einfach nicht Thema.
Was ist alternierende Obhut
Kinder entwickeln sich in der Alternierenden Obhut wie in einer intakten Familie. Dies haben neueste Studien ergeben. Die alternierende Obhut bedingt nicht zwingend, dass die Eltern die Kinder zu je 50 Prozent betreuen.
Ab einer Aufteilung von 30/70 spricht man von alternierend. Eine Erhebung vom Bundesamt für Statistik im Jahr 2018 hat ergeben, dass immer mehr Kinder von beiden Eltern betreut werden (57 Prozent) und/oder in beiden Haushalten leben, oft sogar zu gleichen Teilen. Kinder unter 13 Jahren werden häufiger auch vom anderen Elternteil betreut (67 Prozent) als ältere Kinder.
Seit dem revidierten Kinderunterhaltsrecht von 2017 müssen Gerichte und Kindesschutzbehörden im Scheidungsoder Trennungsfall die alternierende Obhut prüfen, sofern ein Elternteil dies verlangt. Verschiedene Bundesgerichtsentscheide, die neusten von 2019 und 2020, geben nun die «Marschrichtung» vor: Die alternierende Obhut muss gewährt werden, sofern das Kindeswohl nicht gefährdet ist.