Trifft das auf alle Eltern zu?
Ich schätze, niemand ist ganz davor gefeit. Nicht mal jene Eltern, die von sich behaupten, ihre Kinder genderneutral zu erziehen. Allerdings beobachten wir in Studien, dass Mädchen seit einigen Jahren vermehrt zu Bubenspielen aufgefordert werden: Sie werden bestärkt, wenn sie draussen herumtoben oder mit Schwertern kämpfen. Umgekehrt ist das leider nicht der Fall: Ein Junge erfährt nur selten Lob, wenn er eine Puppe kämmt.
Aber es gibt doch sicher auch Eltern, die ihre Söhne bestärken, wenn sie in der Puppenküche herumwerkeln.
Das sind aber eher die Ausnahmen. Und unterschätzen Sie nicht andere Einflüsse wie etwa den der Peer-Group, also den Freunden der Kinder! Wenn andere Jungs in der Kita mit Autos spielen, will auch der Junge mit der Puppenküche gerne zu «seiner» Gruppe dazugehören – selbst wenn er zu Hause vielleicht die tollsten Puppenkuchen backt.
Was passiert denn mit den Kindern, wenn sie permanent mit gegenderten Spielen, Trinkflaschen und Buchreihen konditioniert werden?
Diese Trennung in Rosa und Blau ist ein sich selbst verstärkender Prozess. Vereinfacht gesagt: Je häufiger Kinder mit einem gegenderten Spielzeug spielen, desto besser werden ihre damit verbundenen Fähigkeiten. Die Mädchen können ihren Einhörnern irgendwann Zöpfe flechten, die Jungs mit den ferngesteuerten Autos Rennen veranstalten. So prägen sich die geschlechtsspezifischen Interessen aus. Und damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich weiterhin gegendertes Spielzeug wünschen.
Die Rollen im späteren Leben werden also schon im Grundschulalter festgelegt – Bemühungen, Stereotypen in der Schule und bei der Berufswahl loszuwerden, bringen also gar nichts?
Nein, ganz so linear funktioniert Entwicklung nicht. Selbst wenn die Rollen in Kita und Grundschule klar verteilt sind, heisst das nicht, dass Mädchen später nicht trotzdem Astronautin werden können und Jungs Balletttänzer.
Seit wann gibt es denn überhaupt diese Zuordnung von Blau und Rosa zu einem Geschlecht?
Seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist Rosa die Farbe der Mädchen und Blau die für Buben. Davor waren die Farben genau umgekehrt verteilt: Rosa galt als das «kleine Rot», und Rot war als Farbe der Könige den Buben vorbehalten. Blau war die Farbe der Maria, Hellblau somit eine Mädchenfarbe. Erst als die Arbeiterkleidung der Männer blau gefärbt wurde, begann sich auch die Zuordnung der Farben zu verändern. Dass man auch Spielzeug in Rosa und Blau verkauft, ist ein recht neues Phänomen.
Wäre es nicht trotzdem klüger, Kinder mit geschlechtsneutralem Spielzeug spielen zu lassen?
Wir haben mal für ein Experiment ein geschlechtsneutrales Spielzeug-Krankenhaus in einer Kita aufgebaut, ganz ohne Rosa und Hellblau. Die Kinder haben gemeinsam damit gespielt, aber die Jungs sind die Rettungs-Hubschrauber geflogen und die Krankenwagen gefahren, die Mädchen haben die pflegenden Tätigkeiten bei den Kranken übernommen. Die Rollenverteilung ist also fest verankert und nicht allein durch Spielzeug aufzubrechen. Wenn Sie etwas ändern wollen, müssen Sie das auch jeden Tag vorleben und auch das Umfeld muss mitmachen – also zum Beispiel auch die Erzieher in der Kita.