Sappir ist freiwillige Mitarbeiterin des israelischen Vereins «First Hug» (Erste Umarmung, «Chibuk Rishon» auf Israelisch). Eine Organisation, die Neugeborenen, welche die ersten Wochen oder Tage ihres Lebens aus unterschiedlichen Gründen einsam im Krankenhaus verbringen, die Wärme schenkt, die sie von ihren Eltern nicht erhalten können.
Emotionale Stärke ist wichtig
Sappir ist 27 Jahre alt und schmust erst seit einem halben Jahr. Ende Woche wird sie heiraten. Die Kolleginnen im Krankenhaus reagieren erstaunt auf ihr Erscheinen. Dass sie vor ihrem grossen Tag dafür noch Zeit findet. Sappir entgegnet, das sei doch die schönste Form der Entspannung, bevor die ganze Aufregung losginge.
Und so sterilisiert sich Sappir die Hände mit der roten Seife, weil die weniger stark rieche als die blaue, zieht sich den Einweganzug über ihre Kleidung und geht auf das kleine Bettchen mit dem noch kleineren Leben zu. Der Monitor zeigt den regelmässigen Herzschlag. Als existierten all die Kabel nicht, nimmt sie den Kleinen hoch, hält ihn an ihre Brust und streichelt das nackte Füsschen. «Er ist so ein tolles Kind», sagt sie mit dem Stolz einer Tante. «Bei ihm merkt man richtig, wie sehr er sich über meinen Besuch freut. Schaut! Er lächelt! Hallo, du kleiner schöner Junge ... Ist er nicht wunderschön?»
Für drei Stunden wird Sappir nun alles andere ausblenden. Die Kabel, das Piepsen, ihr eigenes Leben, die Welt draussen. Das Handy liegt in einem anderen Raum. Ihre Aufmerksamkeit gilt nun für drei Stunden ganz dem Kleinen.
Schwieriger Start ins Leben
Das kleine Frühchen wird bald nach Hause können. Seine Eltern haben daheim noch weitere Kinder, inklusive den stärkeren Zwilling, und können nicht jeden und schon gar nicht den ganzen Tag im Krankenhaus verbringen. Es gibt auch keine Familienmitglieder, die in der Häufigkeit, die ein Neugeborenes verlangt, anwesend sein können, um es zu halten, zu besingen, küssen, streicheln, oder einfach nur, um daneben zu sitzen.
Das Baby, mit dem Sappir heute schmust, hat ein vergleichsweise leichtes Schicksal. Andere Neugeborene, um die sich die Freiwilligen bei «First Hug» kümmern, tragen schon früh eine schwere Geschichte auf ihren winzigen Schultern.
Mama ist im Entzug
«Wir sorgen uns auch um Babys, deren Mütter sich nach der Geburt direkt in Rehabilitationszentren begeben, um von ihrer Drogensucht loszukommen», erklärt Sappir. «Es sind Babys, deren Mütter auch während der Schwangerschaft Drogen genommen haben. Diese Kleinen machen zeitgleich wie ihre Mütter einen Entzug durch. Das ist physisch enorm schmerzhaft für sie.» Wieder andere werden direkt nach der Geburt zur Adoption freigegeben. Bis sie von ihren neuen Eltern oder den Sozialarbeitern des Kinderheims abgeholt werden, liegen sie dort allein, gäbe es Menschen wie Sappir nicht.