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«Warum Dreck gesund ist»

Tipps für einen vernünftigen Umgang mit Schmutz und Hygiene im Alltag – für gesunde Kinder.

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«Warum Dreck gesund ist»

Tipps für einen vernünftigen Umgang mit Schmutz und Hygiene im Alltag – für gesunde Kinder.

Wenn kleine Kinder alles in Griffweite in den Mund stecken, trainieren sie damit ihr Immunsystem. «Gut so!», sagt Mikrobiologe Brett Finlay, Autor des Buchs «Dreck ist gesund! Warum zu viel Hygiene Ihrem Kind schadet» (Goldman Verlag, 2018).
Aus einem längeren Interview mit dem Professor für Mikrobiologie an der University of British Columbia in Kanada in Ausgabe 10/2018 von «wir eltern» lassen sich folgende Einsichten und Hygienetipps für Eltern formulieren:

  • Ein grosser Teil der Billionen mikroskopisch kleiner Organismen, die auf und in uns leben, unser Mikrobiom, tun ziemlich viel Gutes für uns. Ein vielfältiges Mikrobiom ist die Voraussetzung dafür, dass sich unser Immunsystem in den ersten Lebensjahren gut entwickelt und später angemessen auf Herausforderungen reagieren kann.
  • Wenn Kinder kaum mehr mit echter Natur in Berührung kommen und ihr Umfeld nach Möglichkeit steril gehalten wird, kommen sie mit ganz anderen und vor allem viel weniger Mikroben in Berührung.
  • Eltern kleiner Kinder entwickeln manchmal eine regelrechte Furcht vor Keimen. Immer mehr Reinlichkeit verhindert irgendwann aber nicht mehr neue Infektionen – sondern ebnet unter Umständen den Weg für andere Erkrankungen.
  • Händewaschen ist immer noch die beste Hygienemassnahme, um sich vor Infektionskrankheiten zu schützen. Es ist reicht aber aus, wenn Kinder vor dem Essen, nach dem Gang auf die Toilette und beim Kontakt mit erkrankten Menschen die Hände waschen – mit Wasser und Seife, nicht mit Desinfektionsmitteln oder antibakteriellen Produkten.
  • Sterilisation von Schoppen: Fläschchen, Nuggis und Beissringe können problemlos mit Wasser und Spülmittel gereinigt werden. Auskochen vor dem ersten Gebrauch oder Waschen im Geschirrspüler ist nur notwendig, falls es sich beim Leitungswasser nicht um Trinkwasser handeln sollte. Für den Schoppen empfiehlt sich jedoch eine Flaschenbürste: Alte Milchreste können durchaus zu Bakterienherden werden.
  • Putztage fürs Kinderspielzeug: Spielsachen müssen weder regelmässig geputzt und schon gar nicht mit Chemikalien behandelt werden. Sind sie sichtbar schmutzig oder hat ein krankes Kind damit gespielt, reichen etwas Wasser und Seife zur Reinigung.
  • Nuggis auf dem Boden: Fällt ein Schnuller im überfüllten Bus auf den Boden, empfiehlt es sich, diesen zuerst mit Wasser und Seife zu spülen, bevor man ihn dem Baby zurückgibt. Zu Hause oder auf einem Waldspaziergang reicht es, einfach den sichtbaren Schmutz zu entfernen. Im Zweifelsfall: Nuggi selbst kurz in den Mund stecken und ihn erst dann dem Kind zurückgeben.
  • Waschen von Lebensmitteln: Obst und Gemüse sollte immer gewaschen werden, besonders, wenn es roh verzehrt wird. Das gilt übrigens auch für biologisch angebaute Lebensmittel. Sie weisen zwar weniger Pestizidrückstände auf, werden aber oft mit Mist gedüngt, und dieser kann krankmachende Keime enthalten.
  • Schnitt- und Schürfwunden: Kleine Schrammen und Kratzer müssen in der Regel nicht mit einem Wundspray desinfiziert werden. Es reicht aus, sie mit sauberem Wasser abzuspülen und mit etwas Seife zu reinigen. Damit die Wunde sauber bleibt und es zu keiner Infektion kommt, empfiehlt sich ein Pflaster oder ein kleiner Verband.

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Brett Finlay ist Professor für Mikrobiologie an der University of British Columbia in Kanada. Er erforscht seit über drei Jahrzehnten, wie sich Mikroorganismen auf unser Leben auswirken. Finlay ist verheiratet und hat eine Tochter und einen Sohn. Er lebt mit seiner Frau Jane, einer Kinderärztin, in Vancouver.

Ümit Yoker, Illustrationen Martina Paukova

Ümit Yoker, Illustrationen Martina Paukova

Ümit Yoker hat Psychologie und Linguistik studiert und arbeitet freiberuflich für diverse Schweizer Zeitungen und Zeitschriften. Sie schreibt über Gesellschaft und Familie, Psychologie und Sprache – und alles, was ihr sonst noch an interessanten Themen in die Hände fällt.




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