Und mir, der Mutter. Ungeschminkt auch keine Freude. Ja, herrgottnochmal, wie soll man denn mit diesen Zutaten Familienglück hinwürgen? Dieses angesagte innere Leuchten. Diese milde Seligkeit. Frohen Frieden und Funkeln? Wenigstens etwas in der Art. So jedenfalls sind wir trendmässig verkehrt, ein familiales Mängelexemplar.
Schliesslich lernen Eltern vom Tag der Zeugung an, dass da jetzt «das Wunder des Lebens beginnt», «das grösste Glück auf Erden ein Kind ist». Und auch eine Mutter, die nachts um 1 Uhr, um viertel vor 3 und morgens um 5 Uhr 30 gestillt hat, jede einzelne Minute mit dem Baby geniessen soll. Wie in der Werbung, wo strahlende Familien mit Golden Retriever im Garten tollen, Schokolade unfallfrei auf weissen Sofas essen, weder Rechnungen noch Magen-Darm-Grippe bekommen, Picknicks ohne Ameisen machen und Kleinkinder Windeln tragen, die immer dicht sind. Das ist doch Familienglück, wie es sein sollte.
Warum nur ist unseres so blass um die Nase? Machen wir was falsch? Oder ist etwas falsch an Dauer-Lächlern und Grinse-Gurus? Hat womöglich Fontane recht mit seinem Satz: «Das Glück liegt in zweierlei: darin, dass man ganz da steht, wo man hingehört, und zum Zweiten und besten in einem behaglichen Abwickeln des ganz Alltäglichen, also darin, dass man ausgeschlafen hat, und dass einen die neuen Stiefel nicht drücken»? Aber ist das nicht zu anspruchslos? Oder klug? Meine Suche nach Antworten und dem Glück beginnt.
Bei täglich 1,5 neuen Studien zum Thema Glück, die in der Rotterdamer «World Data Base of Happiness» landen, wird sich doch wohl was finden lassen! Gerade in der Schweiz, dem laut Uno-«World Happiness Report 2016» nach Dänemark zweitglücklichsten Land weltweit.
Vielleicht am besten mal mit Büchern anfangen: 11 100 000 Treffer spuckt Google bei «Bücher über Glück» aus. Amazon offeriert 31 848 Lektüreoptionen zum gleichen Thema. Jedes zehnte verkaufte Buch siedelt sich im Dunstkreis an: Sinnsuche und Selbstoptimierung aller Art. 80 Prozent davon erworben von Frauen. Unter den Top Ten der Selbsthilfe-Bücher 2015 (Quelle: Orell Füssli-Thalia): «Willst du normal sein oder glücklich?», «Du bist unsterblich» und «Übrigens, das Leben ist schön».
Das Geschäft mit dem Frohsinn brummt. Schliesslich ist fatalistisches Achselzucken im Diesseits bei festem Glauben ans Paradies im Jenseits zum Ladenhüter geworden. Stattdessen gilt «Jeder ist seines Glückes Schmied». Kein Ratgeber-Buch mit Hufeisen oder Klee drauf, kein «Pretty Happy», «Eat yourself happy» und «Happy buying», das nicht irgendwie die gleiche Botschaft verkündete: Optimiere dein Leben. Dein Kind. Deine Oberschenkel. Seele, Sex und Stirn. Wozu gibt es schliesslich Schrittzähler-Apps, Chia-Samen, Frühenglisch, Botox, Wellness in der Steiermark und Orgasmic Yoga mit integrierter Butterfly Meditation?
Andersherum: Selbst schuld, wenn du nicht happy bist! Alles eine Frage der Perspektive. Die Kinder heulen seit drei Stunden am Stück? Freu dich über ihren starken Willen! Der Chef ist ein sexistischer Honk, der dich bei der Beförderung übergeht? Sieh es als Chance zu einer Neuorientierung! Der Ehemann vögelt fremd? Vielleicht warst du ja nicht positiv genug, deine Aura irgendwie negativ. Brustkrebs? Ignoriere die würgende Todesangst, stecke dir ein rosa Schleifchen an, umarme die Krankheit und geniesse den Augenblick.
Fröhlichkeit ist erste Bürgerpflicht. Dass zehn Prozent der Menschen unter behandlungsbedürftigen Depressionen leiden, nach Schätzungen der WHO affektive Störungen bis zum Jahr 2020 die zweithäufigste Krankheit weltweit sein werden und die Schweiz nach Japan die höchste Rate von Teenager-Suiziden aufweist, will nicht recht dazu passen. Das Wegzulächeln erfordert Mühe.
Überhaupt scheint Hardcore-Heiterkeit harte Arbeit zu sein. So stellte die amerikanische Soziologin Arlie Hochschild fest, dass Stewardessen durch die ausdrückliche Forderung des Arbeitgebers, ihren Passagieren stets gut gelaunt zu begegnen, in Stress gerieten und auf lange Sicht emotional verarmten. Die Munterkeitsmaske war zur zweiten Natur geworden – und schnürte das Blut ab.
Ausbeute der Suche nach dem einen, allgemeinen Glücksrezept? Fehlanzeige.