Anders als wenn der Vater verstorben, unbekannt oder als Trennungsvater zwar häufig abwesend aber trotzdem liebevoll und interessiert ist, verursacht der mutwillig abwesende Vater im Kind das Gefühl der Unzulänglichkeit. Es fühlt sich unerwünscht, wertlos, dem Vater nicht wichtig genug. Je nach Konstitution des Kindes und dem Verhalten des übrigen sozialen Umfelds kann der abwesende Vater, so weiss man aus der Psychotherapie, eine lebenslange Quelle von Ärger, Verbitterung, Scham und Traurigkeit sein. «Es gibt wenig, das Männer zu Tränen rührt, sie können in Therapien gefasst über gescheiterte Ehen sprechen. Wenn sie jedoch erzählen, was sie mit ihrem abwesenden Vater nicht erleben durften, brechen sie oft in heftiges Weinen aus», schreiben die Kinder- und Jugendtherapeuten Dan Kindlon und Michael Thompson in ihrem Buch «Was braucht mein Sohn?».
Dafür brauchts den Papa
Studien haben gezeigt: Je früher ein Kind auf die Haltestrukturen des Vaters verzichten muss, umso gefährdeter ist es in seiner gesamten weiteren Entwicklung. Der Vater spielt von Geburt an eine wichtige Rolle. Während die Mutter eher für die emotionale Sicherheit des Kindes zuständig ist, ist er der Sparringpartner, der das Kind ermutigt, nach vorn zu gehen und die Welt zu erobern. Er steht für Wagnis und Risiko und fördert die Unabhängigkeit.
Für den Sohn ist er Vorbild, er prägt sein Männerbild im Umgang mit Kraft, Wut und mit Gefühlen. «Der Vater kennt den Rauf- und Tob-Drang des Sohnes, er kann darauf eingehen, mit dem Sohn rumtollen, Kräfte messen und ihm vermitteln, dass dies gut ist und nicht sonderbar», schrieb der im Sommer 2019 verstorbene Familientherapeut Jesper Juul. Für die gesunde Entwicklung eines Jungen sei dies wichtig, zumal die Mütter mehr auf Dialog setzen und den Raufdrang der Buben eher als negativ bewerten. Mit einem interessierten und kompetenten Vater kann der Sohn das nötige Vertrauen in sich und seine Zukunft als Mann entwickeln. Wie der Vater mit Frauen umgeht, mit der Mutter, der Schwester, der Serviererin, prägt zudem sein Frauenbild und ist entscheidend, wie er sich später als Mann und Partner verhält.
Für die Tochter ist er der grosse, starke Papa, an den man sich ankuscheln kann. Wie ein Mann riecht, wie er redet, was er tut, dafür steht der Vater Modell. Zugleich ist er Versuchsobjekt, sie darf wütend werden, schreien, sich mit ihm streiten, und er liebt sie trotzdem. «Sie lernt, sich in der Männerwelt zurechtzufinden, sich Respekt zu verschaffen, der Vater hat Einfluss darauf, für welchen Mann sie sich später entscheidet», schreibt Psychotherapeut Horst Petri. Das väterliche Vertrauen in ihre Fähigkeiten macht Mädchen stark, laut Studien sind sie erfolgreich in der Schule und im Beruf. Horst Petri: «Der Vater ist entscheidend, wie die Tochter ihr Leben gestaltet, wie sie sich fühlt.»