Ihr Vorschlag sieht eine Aufteilung der Elternzeit vor?
Genau. Acht Wochen nach der Geburt sind für die Mütter reserviert. Danach stehen beiden Eltern je 15 Wochen zur Verfügung. Mütter können von ihren 15 Wochen auch bis zu sieben Wochen auf die Väter übertragen. Umgekehrt geht es jedoch nicht.
Warum nicht?
Man weiss aus anderen Ländern, dass Väter die Elternzeit vor allem dann nehmen, wenn sie nicht auf Mütter übertragbar ist.
Aktuell können sich eine privat finanzierte Verlängerung des 14-wöchigen Mutterschaftsurlaubs nur Gutverdienende leisten. Alle anderen Frauen müssen nach 14 Wochen wieder arbeiten gehen.
Ja, genau. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Elternzeit Frauen motiviert, im Erwerbsprozess zu bleiben und ihren Beruf früher wiederaufzunehmen. Dazu braucht es jedoch qualitativ gute und bezahlbare Kinderbetreuung. Diese ist leider für viele Eltern immer noch zu teuer und Plätze für Babys sind rar.
Darum bleiben Mütter oft zu Hause.
Genau. Obwohl Frauen heute oft besser ausgebildet sind als Männer, geht man davon aus, dass sie das Erlernte erst mal auf Eis legen oder beim Wiedereinstieg in schlechter qualifizierten Jobs arbeiten. Das hat Auswirkungen auf Karrierechancen und Altersarmut. 70 Prozent der Ergänzungsleistungen gehen heute an pensionierte Frauen. Eine Elternzeit hätte also auch positive Konsequenzen für den Staat.
Grosse Unternehmen bieten von sich aus mehr Elternurlaub an.
Ja. Die Kosten dafür bezahlen sie aus dem eigenen Sack. Ihr Interesse ist es, qualifiziertes Personal behalten zu können. In Anbetracht des Fachkräftemangels ist das ein weitsichtiger Entscheid und für diese Firmen ein Wettbewerbsvorteil. Denn künftig dürfte es für junge Arbeitnehmende entscheidend sein, welche Firmen familienpolitisch fortschrittlich sind. KMUs werden das zu spüren bekommen.
Wie stellt man sich die Finanzierung der Elternzeit vor?
Über die Erwerbsersatzordnung EO, welche bereits den Mutter- und Vaterschaftsurlaub und den Militär- und Zivildienstersatz finanziert. Aktuell sind das pro Arbeitgeber und Arbeitnehmer 0,5 Prozent, die über den Lohn verrechnet werden. Mit der Elternzeit wären es insgesamt 0,8 bis 0,9 Prozent. Also durchaus bezahlbar.
Ist die Gesellschaft bereit für Elternzeit und Vereinbarkeit von Beruf und Familie?
Viele von uns sind es. Vor allem die Jüngeren. Manche Frauen überlassen den Männern aber auch gerne das Geldverdienen. Wir müssen unsere Rollen neu denken. Es muss normal werden, dass Väter sich auch um die Kinder kümmern und Mütter auch arbeiten gehen. Eltern, die Carearbeit und Geldverdienen teilen, sind Vorbilder für ihre Kinder. Das prägt die Gesellschaft. Irgendwann ist das einfach normal.
Wie dringlich ist die Elternzeit?
Für eine demokratische Gesellschaft gehört sie dazu. Wären wir in der EU, wäre Elternzeit Pflicht. Mit Ausnahme von Mexiko gibt es kein OECD-Land ohne Elternzeit.
Werden wir bis 2030 eine Elternzeit haben, die diese Bezeichnung verdient?
2040 ist realistischer.