wir eltern: Kinder zerstören die Karriere einer Künstlerin, liest und hört man bisweilen auch aus der Kunstszene. Habt ihr euch, als ihr schwanger wurdet, Sorgen um eure berufliche Zukunft gemacht?
Nicole: Ich hatte sehr grosse Ängste. In meinem damaligen Künstlerinnen-Freundeskreis war ich eine der Ersten, die ein Kind bekam. In der älteren Generation von Künstlerinnen blieben viele Frauen kinderlos und ich wuchs mit der Unsicherheit auf, dass Nachwuchs eine Künstlerkarriere ausbremsen kann. Aber ich hatte auch die Erkenntnis, dass ich mir nicht vom System diktieren lassen will, was möglich ist und was nicht.
Lena: Mein Partner wollte unbedingt Kinder – aber zu einem Zeitpunkt, an dem ich eben mein Kunstdiplom erworben hatte. Ich wollte mich zuerst noch in meine Arbeit vertiefen, da ich zwei Atelierstipendien in Paris und New York erhalten hatte. Vier Jahre später, während des Masterstudiums, wurde ich schwanger. Angst vor der Zukunft hatte ich keine, mir war klar, dass ich ein Kind wollte. Ich ahnte jedoch, dass ein Kind Zeit und Energie kosten würde. Aber wie streng es würde – das wusste ich nicht! (Alle lachen)
Eva: Mein Partner und ich wünschten uns ein Kind. Auch ich wurde während meines Studiums an der Akademie für bildende Kunst in München schwanger. Und ich hatte paradiesische Vorstellungen vom Leben mit Kind: Ich sah das Schwanger- und Muttersein als einen Entwicklungsprozess an und wollte meine Erfahrungen bezüglich Schwangerschaft, Geburt und Stillen von Anfang an in mein künstlerisches Schaffen integrieren.
Und wie paradiesisch war die Realität?
Eva: An der Akademie sagten mir Studentinnen, die schon Mütter waren: «Nimm doch ein paar Semester frei und geniesse deine Mutterschaft!» Das empfand ich als seltsam: Ich wollte doch nicht von einem auf den anderen Tag nur noch zu Hause bleiben und meine künstlerische Arbeit auf Eis legen! Mütter werden meiner Ansicht nach aus der Gesellschaft ausgeschlossen – ich empfand die erste Zeit mit Kind jedenfalls als ziemlich einsame Zeit.
Eigentlich habt ihr drei Jobs: Kunst, Kind und je nachdem noch eine Anstellung. Wie bekommt ihr diese Fülle an Aufgaben unter einen Hut?
Lena: Es ist eine partnerschaftliche Frage, ob Kunst und Kinder vereinbar sind. Wenn man Arbeitsteilung will in einer Familie, muss man das früh initiieren, sonst automatisieren sich die Rollen und Gefühle. Wenn im ersten Jahr dauernd wiederholt wird, dass das Kind aus biologischen Gründen die Mutter braucht, und das nicht hinterfragt wird, dann etabliert sich etwas, was schwierig ist, wieder loszuwerden.
Nicole: Ich bin unglaublich viel effizienter, seit ich Mutter bin. Als mein Sohn noch kleiner war, hatte ich meine zwei Atelier-Tage: Da kam ich morgens rein, arbeitete durch, und am Abend ging ich wieder nach Hause. Da war nichts mehr mit Trödeln! Ich musste kinderlosen Freundinnen sagen: Sorry, ich habe keine Zeit zum Käfele. Ich arbeitete oft bis um Mitternacht. Ich habe Disziplin – aber nur, wenn ich will oder wenn ich muss.
Kunst zu schaffen neben Mutter- oder Vaterschaft bedingt ja nicht nur zeitliche, sondern auch finanzielle Engpässe...
Eva: Das ist für mich ein schwieriges Thema. Ich schaffe es im Moment nur mit Schenkungen aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis. Ich schreibe Anträge für Werkbeiträge an Stadt und Kanton, bis jetzt hat es jedoch nicht geklappt. Absagen zu bekommen enttäuscht und frustriert sehr. Ich bewege mich finanziell auf dünnem Eis.
Lena: Ich wollte immer finanziell unabhängig sein, deshalb arbeitete ich auch während des Studiums. Heute habe ich eine 30-Prozent-Stelle als Dozentin am Institut Kunst Basel. Aber ich habe mir mittlerweile eine Struktur aufgebaut, durch die ich mit meiner Kunst Geld verdienen kann.
Nicole: Ich bin ausgebildete Fotografin, damit verdiene ich Geld. Über die Jahre verschoben sich jedoch die Einnahmen Richtung Kunst. Mein grösstes Problem zurzeit ist, dass der Einsatz sowohl für meinen Job als Fotografin als auch Aufträge oder Ausstellungen immer gleichzeitig kommen!