Räume prägen die Gesundheit
Okay, dem Tod haben Shusaku Arakawa und Madeline Gins kein Schnippchen geschlagen, ihr Ziel, Unsterblichkeit, verfehlt. Und doch ist das Wohnprojekt der beiden Künstler im japanischen Mitaka ein tolles Ding. Ihr Grundgedanke beim Bau: Herausforderungen halten fit. Geistige und körperliche. Und wenn es im nahen Umfeld davon genügend gäbe, so ihre Überlegung, entfiele damit der wichtigste Grund zu sterben.
Deshalb knallen in den Mitaka-Wohnungen grelle Farben aufeinander, ist die Küche in einer Art Loch platziert, der Fussboden holperig, und was in Zimmern üblicherweise klein ist, wird gross, Grosses klein. Gewohntes? Fehlanzeige. Das mit dem ewigen Leben per Zimmer-¬Challenge ist vielleicht spinnert, der Ansatz trotzdem nicht dumm. Immerhin leben Labortiere länger, wenn sie Spielzeug in ihren Käfigen haben, Raubkatzen im Zoo, wenn sie ihr Futter suchen müssen.
Und die WHO fand heraus, dass ältere Menschen seltener an Demenz erkranken, wenn sie in der Stadt als auf dem beschaulichen Land wohnen. Es ist also schlau, sich das eigene Zuhause genauer anzusehen. Ist das interessant? Oder, mal ehrlich, doch eher fad? Und muss jetzt auch der minimalistische Wohntyp mit crazy Farben hantieren, der Gesundheit zuliebe?
«Ach, was», sagt Antje Flade, Hamburger Umweltpsychologin, Autorin und Pionierin der Wohnforschung. «Stimmt, Reize sind wichtig. Aber ob wir uns in einem Raum wohlfühlen, hängt eher vom Mischungsverhältnis aus Reiz und Ruhe ab. Ein mittleres Anregungsniveau ist für die meisten Menschen das richtige. Aber was jeweils als optimal empfunden wird, ist bei jedem unterschiedlich. Also: Eyecatcher, gerne – Ruhe aber auch.»
Frühchen auf Neugeborenen-Intensivstationen beispielsweise, profitieren von grösstmöglicher Ruhe, schreibt die Fachzeitschrift «Pediatrics». Wurden sie nämlich, statt auf der umtriebigen Gemeinschaftsstation in einem stillen Familienzimmer untergebracht, nahmen sie schneller zu, ihr Pulsschlag normalisierte sich, der Sauerstoffgehalt ihres Blutes stieg… Kurz: Sie konnten früher entlassen werden. Segensreiche Wirkung des beruhigenden Raumes.
Und da wir gerade schon bei Patient* innen sind – ebenfalls segensreich fürs Genesen: Pflanzen. Untersuchungen der University of Delaware ergaben: Kranke erholen sich schneller von einer OP, wenn sie im Spital durchs Fenster Bäume statt Mauern sehen konnten. Sie benötigten weniger Schmerzmittel, hatten seltener Ängste. Selbst Bilder von Wald und Strauch sollen sich als Booster fürs Immunsystem erwiesen haben.
Vielleicht gilt auch für Gesunde: Zimmerpflanzen wären nicht schlecht. Auch, weil sie einfach hübsch sind. Nur die bitte nicht unter Neonröhren wachsen lassen, denn grelles Licht, schildert Emily Anthes in ihrem Buch «Drinnen», sorgt dafür, dass Menschen hastiger, zu grosse Portionen essen – und ungesunde Pfunde zulegen.