Genetik und Umwelt
Warum aber leiden einige Menschen unter der Überreaktion und andere nicht? Die Ursachen für Asthma und Allergien sind auch genetisch bedingt. Hat ein Elternteil Asthma, beträgt die Wahrscheinlichkeit für das Kind 25 Prozent; sind beide Elternteile betroffen, steigt die Wahrscheinlichkeit auf 50 Prozent. Ob Asthma aber «ausbricht», hängt von Umweltfaktoren ab, sagt Nicolas Regamey: «Eine Vaginalgeburt, Stillen und das Vermeiden von Tabakrauch wirken schützend.»
Sarah ahnte, dass Louis ebenfalls Asthma entwickeln könnte, wie sie jetzt am Esstisch ihrer hellen Wohnung in Luzern erzählt. Louis ist mittlerweile fast drei Jahre alt. Mit einem Jahr erhielt er erstmals Ventolin, das den Wirkstoff Salbutamol enthält, einen sogenannten Bronchodilatator. Dieser entspannt die Muskeln in den Atemwegen und verbessert so die Luftzufuhr zu den Lungen. Sarah stellt die Schachtel mit der Inhalierausrüstung auf den Tisch und erläutert, wie das Gerät funktioniert: Auf einer Seite des Inhalators wird eine kleine Maske befestigt, auf der anderen die Hub-Patrone angeschlossen. Mit wenigen kleinen Stössen gelangt das fein zerstäubte Medikament in die Bronchien des Kindes.
Doch trotz der frühen Behandlung liessen Louis’ wiederkehrende Hustenanfälle nicht nach. Seine Eltern konnten irgendwann nicht mehr davon ausgehen, dass ihr Kind gewöhnliche Erkältungsviren von der Kita heimschleppt. Denn mittlerweile überwältigten ihn die Anfälle auch ohne erkennbare Auslöser und ohne vorgängigen Schnupfen. In den letzten Monaten, mit zunehmendem Bewegungsdrang, zwingen ihn die Atemnotanfälle oft, das Fussballspiel mit dem Vater oder das Herumtoben draussen zu unterbrechen, sich zu setzen, abzuwarten.
Die Schlüsselsymptome
«Das tut mir jeweils unheimlich leid für mein Kind», sagt Sarah. Sie spricht damit auch einen Punkt an, mit dem viele Eltern zu kämpfen haben: latente Schuldgefühle, weil sie glauben, dem Kind das Schicksal eines Asthmatikers aufgebürdet zu haben. Trotz vaginaler Geburt und zweijähriger Stillzeit scheinen in Louis Familie die Gene das Sagen zu haben. Wenn das Umfeld dann noch vorwurfsvolle Fragen stellt, warum das Kind denn ständig wie ein Berserker huste, braucht es eine dicke Haut, um nicht in Selbstvorwürfen zu versinken.
Wie aber erkennen Eltern, dass es sich bei ihrem Kind tatsächlich um Frühasthma handeln könnte? Die Schlüsselsymptome, sagt Nicolas Regamey, seien die wiederkehrende, pfeifende Atmung, Husten, Atemschwierigkeiten und schnelle Ermüdung beim Spielen – vor allem, wenn die Symptome ohne gleichzeitigen Luftweginfekt auftreten oder dann ausgelöst werden, wenn das Kind sich bewegt, lacht, weint, Kälte oder Luftverschmutzung ausgesetzt ist oder mit Tieren in Kontakt kommt.
Treten diese Symptome gehäuft auf, ist ein Besuch beim Kinderarzt unumgänglich. Die Notaufnahme aufsuchen sollten die Eltern dann, wenn das Kind sehr schnell atmet, sie Einziehungen an Brustkorb und Nasenflügel beobachten, es kurzatmig, blass und apathisch ist und blau verfärbte Lippen hat, wenn es kaum trinkt und sich sein Allgemeinzustand verschlechtert.