Drei Minuten später gibt es trotzdem eine Socken-Krise («Ich habe überhaupt keine gescheiten Socken!»). Ich atme tief durch und übe mich im sogenannten humorvollen Intervenieren, wie es im Buch steht: «Jedes Mal, wenn Sie sich ärgern, aufregen oder angegriffen fühlen, halten Sie ein bis drei Sekunden inne, lächeln, fixieren einen Punkt im Raum und schimpfen dann lachend fantasievolle Kraftausdrücke.» Genau das mache ich nun, kreiere lautmalerische Schimpfworte und rufe: «Oh Qualle! Tannenbaum! Ohrenschmalz!» Die Grosse hört augenblicklich auf zu maulen, entgeistert starren beide Kinder mich an. «Jetzt ist Mama komplett durchgedreht», sagen ihre Blicke. Doch kurz bevor ich mir völlig dämlich vorkomme, fallen die zwei freudig mit ein. Alle lachen, Ziel erreicht!
Beim Frühstück entbrennt eine lebhafte Diskussion: Warum genau sollen wir mehr lachen? Und wie bringt man andere dazu? Wir führen eine sogenannte Lachglocke ein, wie von der Humorexpertin empfohlen. In unserem Fall ist das eine alte Kuhglocke, die endlich eine Funktion bekommt: Immer, wenn jemand daran läutet, wird gelacht, lautet die neue Regel. Junior ist begeistert: «Voll gut, dann läute ich die ganze Zeit!» Die Grosse verdreht die Augen, mir kommen Zweifel, ob dies wirklich so ein schlauer Schachzug war. Aber egal, weiter im Konzept. «Nun erzählen alle, worauf sie sich heute freuen!», arbeite ich gewissenhaft den empfohlenen humorvollen Tagesablauf mit Kindern ab. Den Fokus auf die positiven Dinge legen, lautet die Vorgabe.
Dem Junior fällt sofort was ein: «Auf Marco!», ruft er, den einzigen männlichen Erzieher im Kindergarten, der allerdings nur mittwochs kommt, also heute. Seit Monaten ist dies sein Wochenhighlight. Die Grosse hingegen ist überfragt. «Weiss nicht. Vielleicht wenn ich Nina nachher in der Schule sehe?» Und dann: «Worauf freust du dich denn, Mama?» Puh, gute Frage, das ist so ein kompakter Tag heute. Glücklicherweise kommt mir die Zeit zu Hilfe, «schnell, schnell, wir müssen los!»
Zugegeben, ich habe den Start des «Wir sind ab heute lustig»-Experiments rausgezögert; Ausreden gab es genug: «Diese Woche ist viel los», «nicht wenn das Kind krank ist», «nicht wenn die Grosseltern da sind». Im Grunde ist das Leben mit Kindern ja immer heiter und lustig – wenn nur nicht der Alltagsstress dazwischen käme. Aber genau deswegen helfen wir nun ein bisschen nach.
«Wirkt das Ganze nicht arg aufgesetzt, wenn wir versuchen, auf Knopfdruck lustig zu sein?», fragte ich mich im Vorfeld. Geschenkt, wird mir bereits an Tag eins klar. Die Kinder springen sofort darauf an, es liegt lediglich an mir, den Impuls zu setzen. Wie schreibt Cornelia Schinzilarz? «Die verantwortlichen Erwachsenen sind der Schlüssel für eine humorvolle Erziehung.» Ich habe es befürchtet! Pflichtbewusst arbeite ich an meiner Humoreinstellung und absolviere das von der Humorexpertin vorgeschlagene Lächeltraining. «Jeden Morgen, wenn Sie wach werden, lächeln Sie», heisst es im Buch. «Dann lächeln Sie bewusst alle 15 Minuten mindestens eine Minute lang, überlegen sich einmal jede Stunde, welches Ziel Sie erreichen wollen und lächeln dementsprechend. Beim Einschlafen: Lächeln Sie.» Ich wusste nicht, dass Humor so anstrengend ist!